Ein neuer Mann und ein demoliertes Rad

Ein neuer Mann und ein demoliertes Rad

Eine neue Ära begann in Bremen mit der Verpflichtung eines neuen Sportlichen Leiters. Der Belgier Patrick Sercu, bestens bekannt als „Sechstage-Kaiser“ mit bis heute unerreichten 88 Siegen in 223 Rennen, stand erstmals an der Glocke. Assistiert von Frank Minder, der schon in der Röper-Ära mit dabei war und nun als rechte Hand von Sercu assistierte. Das hatte es auch noch nicht gegeben: Ein sportlicher Leiter, der fünf Sprachen beherrschte, sich also mit allen Fahrern aus immerhin neun Nationen auf der Bahn unterhalten oder ihnen Anweisungen geben konnte.
Als Ostfriesen-Spaßvogel Otto Waalkes den Startschuss abgegeben hatte, war die erste Aufregung schon verflogen. Denn ausgerechnet Star-Fahrer Francesco Moser war Ungemach widerfahren. Auf dem Flug von Sizilien, wo er schon für die Straßensaison trainierte, via Frankfurt nach Bremen, wurde im Gepäckraum sein Fahrrad demoliert. Totalschaden von rund 3000 D-Mark. Aber zum Glück hatte der Italiener ein Zweitrad dabei, sodass seinem Start nichts im Weg stand. Denn auf ein Leih-Rad hätte er sich nicht gesetzt, wie Sercu lupenrein vom Italienischen ins Deutsche übersetzte. Ein weiteres Reserverad wurde später noch nachgeliefert. Für einen Sieg reichte es für ihn dennoch nicht.
Mit eiserner Hand dirigierte Sercu bei seinem Einstand in Bremen die 24 Profis, von denen er Höchstleistungen verlangte. „Rekorde, Rekorde, Rekorde“, so sein Credo. „Es gibt hier viel zu verdienen, also will ich Leistung sehen.“ Mit neuen Punktsystemen wurden die Rennen für Fahrer und Publikum noch spannender.
Mit Spannung wurde auch der Wetterbericht während der Veranstaltung verfolgte. Blitzeis war für den Freitagabend angesagt. Und tatsächlich: Ab 18 Uhr ging in Bremen und umzu praktisch nichts mehr. Kein Wunder, dass in den Hallen zunächst große Lücken in den Zuschauerrängen klafften. Denn auch zahlreiche Busunternehmen aus dem Umland fuhren  nicht. Viel zu gefährlich, hieß es. Allen Besuchern wurde zugesichert, dass die Karten auch an den nächsten Tagen Gültigkeit hätten – allerdings ohne Sitzplatz-Anspruch. Später jedoch, als sich die Lage beruhigte, strömten die Massen wieder, was die Verantwortlichen bewog, einfach länger fahren zu lassen. „Woanders ist um ein Uhr spätestens Schluss, hier fahren wir noch um drei“, wunderte sich Francesco Moser. Aber die Zuschauer honorierten den Zeit-„Zuschlag“.
Für die Fahrer wurde das allerdings zum Dauerstress, denn nach der langen Samstagnacht mussten sie am Sonntag wieder ran. Nicht etwa erst am Abend, sondern beim Familientag am Vormittag, den es erstmals in dieser Form gab. Erstmals sorgte auch ein Sangesduo für Furore: Klaus & Klaus mit ihren Gassenhauern „An der Nordseeküste…“ und „Da steht ein Pferd auf dem Flur“. Da stand die Halle Kopf. So auch am Schlusstag, als Didi Thurau, der zwar stets über Schulterprobleme geklagt hatte, aber mit seinem Partner Josef Kristen die beste Punktbilanz einer rundengleichen Dreiergruppe mit Gert Frank/René Pijnen sowie Urs Freuler/Roman Hermann hatte und mit dem letzten Spurt knapp gewann. (kpb)

 

Die Sieger des 22. Rennens:

Dietrich Thurau/Josef Kristen (Frankfurt/Köln)

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